Mit dem Rohrstock?
29 Jul 2016 | afd bildungEin paar Worte zum Bildungsprogramm der AfD:
Das Klassenzimmer darf kein Ort der politischen Indoktrination sein
schreiben die Alternativen (8.2.4) und doch soll ihre Indoktrination genau dort ansetzen: Das Klassenzimmer soll der Ort der Vermittlung ihrer Werte werden. Und so wollen sie wie selbstverständlich in die Lehrpläne eingreifen, wollen das bisschen zurückdrehen, was bei der Kakophonie der Länderkultusministerien überhaupt herausgekommen ist:
Eine Weiterentwicklung des Familienbildes, ein offener Blick auf alternative sexuelle Identitäten, Religionsunterricht ihnen missliebiger Religionsgemeinschaften – all das ist verboten. Abgelehnt aus einer Ideologie heraus, die sich auf ein diffuses „Naturrecht“ bezieht, das wohl hauptsächlich „so wie damals, als wir jung waren“ bedeutet.
Und wenn die Kleinen nicht zurück in die Achtziger wollen? Nun, dann sollen
den Lehrern die dazu geeigneten Maßnahmen zur Verfügung stehen
sie zu disziplinieren (8.2.3). Wollen sie ihre rückwärts gerichteten Sichtweisen dann in die Kinder reinprügeln? Vermutlich, denn öffentliche Diskussion oder rechtsstaatliche Prinzipien sollen für diese neuen-alten „Maßnahmen“ offenbar außer Kraft gesetzt werden, damit
deren Durchsetzung nicht ständig hinterfragt wird.
Ja, das steht wirklich so da. Und es ist ihnen wichtig, denn Disziplin ist
Voraussetzung für eine erfolgreiche Wissensvermittlung
Und nur Wissen ist es, was in die Kinder hinein gefüllt werden soll. Wie damals, als Enzykolopädien noch einen Zentner wogen und das Wissen sich so langsam vermehrte, dass man wagen konnte, es auf tote Bäume zu drucken. Kompetenzen zu erwerben, das ist für Schülerinnen und Schüler nur von nachrangiger Bedeutung oder, im alternativen Sprech
untergeordnet
„Denk selbst“ soll wohl der (richtigen) Partei und den Rednern auf den Pegida-Veranstaltungen vorbehalten bleiben.
Und die Sorben und Friesen sollen endlich mal richtig Deutsch lernen. Steht da. Echtjetzt. Denn sie wären wohl die einzigen, die von einer grundgesetzlichen Verankerung der deutschen Sprache (7.3) wirklich betroffen wären.
Ja, natürlich zeigt es das Bildungsproblem in Deutschland auf, wenn die das da so rein schreiben. Aber sollte man dann gerade auf solche Leute hören, wenn es um Bildung geht?
Mein nächster Beitrag sollte eigentlich ein Plädoyer dafür ist, nicht so viel über die Bleu-Alternativen zu schreiben. Wenn allerdings Leute behaupten, diese Rückwärtspartei hätte ein „gutes Programm“, dann kann man einfach nicht ruhig sein.
Ein gutes Programm würde nämlich ganz anders aussehen. Es wäre ein zukunftsweisender Gegenentwurf, der sich den Herausforderungen der Zeit genauso stellt, wie den neuen Chancen. Ein Entwurf, der die Kinder nicht diszipliniert, sondern sie dabei unterstützt, sich zu medienkritischen, wahrhaftig selbst denkenden jungen Leuten zu entwickeln.
Die Wertevermittlung würde bei den Grundlagen unseres Staatswesens ansetzen: Beim Grundgesetz und bei der Geschichte, die dazu geführt hat, das dieses wahrhaft wegweisende Dokument entstehen konnte, entstehen musste. Und bei der Aufweichung, der Rückentwicklung, die dieses Grundgesetz im Laufe der Jahre erleiden musste – ein Opfer der Tagespolitik, zuerst bei den Notstandsgesetzen, dann beim großen Lauschangriff und zuletzt beim Recht auf politisches Asyl.
In einem solchen Umfeld wäre ein offener Umgang mit alternativen Formen des Zusammenlebens und auch mit Sexualität selbstverständlich. Der Gefahr, dass der erste Kontakt mit Sexualität für Kinder unter Anleitung eines mit bigotten, pädophilen Priesters zustande kommt, würde damit nachhaltig ausgeräumt.
„Religionsunterricht“ würde durch „Vergleichende Religionskunde“ ersetzt, die Geschichte und Wertegrundlagen aller bedeutenden Religionen objektiv und unideologisch beleuchtet. Als Bewertungsmaßstab würde auch hier ausschließlich das Grundgesetz herangezogen. Bei der Beschäftigung mit diesem komplexen Gebiet würden die jungen Leute mit dem Konzept der Rechtsgüterabwägung vertraut gemacht. So vorbereitete junge Menschen wären immun gegen Indoktrination sektiererischer Parallelgesellschaften und würden umgekehrt die grundgesetzlichen Werte in diese hineintragen und sie so von innen aushöhlen. Und wer jetzt nur an islamische Parallelgesellschaften denkt, der möge bitte seinen Denkraum auf Homeschooler, evangelikale Sekten und „national befreite Zonen“ ausdehnen.
Der bloße Erwerb von Wissen träte in den Hintergrund vor der Entwicklung von Kreativität und dem Erwerb vor allem der Kompetenz, sich bei Bedarf neues Wissen anzueignen. Medienkritik würde einen Schwerpunkt bilden, um die Menschen geichermaßen immun zu machen gegen Manipulation und die Scheinwahrheiten und Verzerrungen der „Nachrichten“ aus den sozialen Medien wie gegen die von Lobbyinteressen gesteuerte Themenauswahl der Medien-Großkonzerne.
Zwangsdiszipinierung, gar noch ohne Beobachtung durch die Öffentlichkeit, verlöre jeden Sinn. Ein solcher Unterricht wäre für die jungen Menschen nämlich interessant, da sie ihre Weiterentwicklung direkt erleben und nicht nur an Noten messen könnten.
Parallel zu dieser grundsätzlichen Ausrichtung des Bildungssystems an den Werten des Grundgesetzes würden Schranken abgebaut, die junge Menschen in der Bildungsschicht des Elternhauses festhalten und in dessen Denkraum gefangen halten. Konzepte wie Schulgeld und Ausbildungskredite würden auf dem Müllhaufen der Geschichte landen, da Bildung als gesellschaftliches Ziel erkannt und entsprechend umgesetzt würde. Chancengleichheit würde Wirklichkeit.
Die Finanzierung des Bildungssystems wäre an die Entwicklung des Bruttosozialproduktes gekoppelt und bräche mit der Tradition der seit über vierzig Jahren zurückgehenden realen Investition in Bildung. Die nachhaltige Bekämpfung der Kinderarmut bekäme strategische Bedeutung als notwendige Grundlage eines solchen Bildungssystems.
Eine solche Neukonzeption des Bildungssystem könnte die Jugend fit machen für die Herausforderungen der Zukunft – und nicht die Wiederbelebung der Achziger. Die können wir getrost den populären Radiosendern überlassen.